Der Hahn...

Als es noch keine amtlichen Wetterberichte gab, schauten die Bauern in den Dörfern auf den Kirchturm. Der Hahn konnte ihnen Hinweise geben. Wie von einem Lebewesen sprach man von ihm: „Er guckt ins Rejeloch.“ Die drehbaren Teile des Turmschmucks sind dem größten Verschleiß unterworfen. Öfter als andere Teile müssen sie repariert oder ersetzt werden. Für solche Begebenheiten haben sich besondere Bräuche entwickelt. Von altersher war das Umhertragen des Kirchturmhahns üblich.
1936 war der Turmhahn von Arheiligen eingerostet. Er drehte sich nicht mehr und musste herunter geholt werden. Nach der Reparatur trug ihn der Dachdecker, feierlich mit einem Zylinder auf dem Kopf, an einem Stab über der Schulter durch das Dorf. Der Hahn war mit bunten Bändern geschmückt. Ein Begleiter hatte am Arm einen Korb für die erwartete Spenden. Mit einer Schelle machte er auf den Umzug aufmerksam. Der Dachdecker sprach bei jedem Anhalten:
Hier zeig ich euch den Wetterhahn;
Er zeigt euch jede Richtung an:
Nach Norden, Osten, Süd und West,
Daß ihr das Trinkgeld nicht vergeßt.
1983 lud der Förderkreis Alte Kirchen Marburg zu einem Umzug anlässlich der Vergoldung des Kirchturmhahnes in Niedereisenhausen ein.
Ausgediente Kirchenhähne werden nicht gleich zum alten Eisen geworfen. Eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Hähne der Gemeinde Linsengericht Eidengesäß haben im Gebäude der Kirche einen Ehrenplatz gefunden.

Oft passt der Hahn im Stil nicht zum Gestänge des Kreuzes. Dies kann dadurch begründet sein, dass ursprünglich der Turmschmuck mit dem Kreuz abschloss. Mancher Dorfschmied brachte es nicht fertig, einen Hahn herzustellen, oder er musste sich zum mindesten einen Entwurf vom Künstler machen lassen.
Die Meinung, man könne aus dem Vorhandensein oder Fehlen eines Hahnes auf die Konfession schließen, ist irrig.
Wetterhahn

Der Turmgickel, das Sinnbild der christlichen Wachsamkeit und der Verkünder guten und schlechten Wetters, wurde im Laufe der Zeit mehrfach heruntergenommen und neu vergoldet, und zwar in den Jahren 1794, 1857, 1888 und 1927; auch der Knopf. Dieser enthält eine Hölzerne Büchse, eine sog. Griffelbüchse, wie sie früher der Schüler zum Aufbewahren der Griffel benutzte, und in dieser zwei Urkunden aus den Jahren 1857 und 1888. Über die letztmalige Vergoldung des Kirchturmhahnes schreibt der Langenselbolder Anzeiger Nr. 249: „In der Werkstätte des Herrn Weißbindermeisters Fr. W. Gottlieb wurde seinem Gefieder neuen Glanz verliehen, im Triumphzug wurde er am Samstag (23. Oktober) durch die Ortsstraßen getragen, begleitet von fünf lustigen Gesellen des Dachdeckermeisters Eller aus Hanau, die seinen Abflug und Wiederaufflug getreulich bewachten. Voran im Frack, Zylinder und weißer Hose der oberste der Gesellen, ein Sprüchlein brav aufsagend, reichen Segen in Gestalt von Eiern, Wurst und klingender Münze erntend. Ein alter, schöner Brauch, niemand zu Leid und jedermann zur Freud.
Turmbekrönungen

Die Turmbekrönungen bestehen in der Regel aus drei Teilen, einem Knopf, der Urkunde und Gedenkstücke in sich birgt, einem Kreuz und einem beweglichen Teil, der sich im Winde dreht. Das ist bei weitaus überwiegenden Teil der Türme ein Hahn; es kann aber auch ein Schwan, eine Engelsgestalt oder eine Windfahne sein. Einer der Teile kann fehlen: der Hahn, das Kreuz oder in seltenen Fällen der Knopf. Bei wenigen Kirchen kommt ein vierter Teil, etwa ein Stern, hinzu.
Der Knopf

Unmittelbar über der Turmspitze befindet sich der Knopf oder Knauf. In seiner einfachsten Ausführung ist er kugelförmig. Im Barock liebte man es, ihn durch Ringe, Wülste und Ausbuchtungen zu verzieren. Manche Knöpfe sind abgeflacht, andere Zitronenförmig gestreckt. Als Material verwendet man Eisen oder Kupferblech, das durch Vergoldung oder einen Farbanstrich gegen Witterungseinflüsse geschützt wird. Als auffälliger Teil des Turmschmucks wird der Knopf gern von Schützen als Zielpunkt missbraucht. Es gibt kaum einen Turmknopf, der nicht Beulen oder Durchschläge von Geschossen aufweist.
Seine Bedeutung erhält der Kirchturmsknopf durch die Aufnahme einer Bleikapsel mit Dokumenten. Damit wird der Gegenpol zum Grundstein, der ähnlichen Zwecken dient.
Beides sind Begrenzungspunkte, nach unten und nach oben. Es ist eine alte Sitte, Dass man wichtige Räume, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, nach außen abschirmt.
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